Kein Ort Nirgends

Angst essen Hunde auf

Von Patrice Lipeb

Es ist schon lustig, dass ausgerechnet Hundebesitzer dazu genötigt sind, sich in steter Regelmäßigkeit kommunikativ mit all Jenen auseinander zusetzten, denen danach gerade der Sinn zu stehen scheint und obendrein zufällig ihren Weg kreuzen. Markiert doch der Besitz eines Hundes, viel eher eine demonstrative Abkehr vom vertrauensvollen Umgang mit der eigenen Spezies, als dass er den Halter als besonders smalltalkaffin ausweist.

Was Passanten allerdings wenig davon abhält, spontan allerlei Subjektives über dem nächstbesten Hundebesitzer auszukübeln. Der Hund fungiert dabei als universell ultimativer Gesprächseinstieg und ist gleichermaßen Vehikel für spontane Liebes- als auch Hassbekundungen. Die überwiegend flüchtigen Gesprächsfetzen werden anlässlich dieser Begegnungen bevorzugt im Vorbeigehen ausgetauscht. Ich bin mir daher nicht ganz sicher, ob es vorrangig der Hund oder vielmehr die räumliche Bewegung voneinander weg zu verantworten hat, dass sich wildfremde Menschen befähigt fühlen, ihre kommunikativen Berührungsängste endlich einmal zu überwinden. Um mir in der Regel aus respektvollen Abstand vom Sattel ihres Fahrrads zu eröffnen, dass wir alle an die Wand gestellt gehören! Egal, skizziertes Muster fällt am Ende ohnehin in den Konnex Kommunikationsverhalten im öffentlichen Raum – und ist hier nicht Thema. Plaudern wir lieber etwas aus dem Nähkästchen.
In letzter Zeit laufen mein Hund und ich morgens durch den Stadtteilpark-Plagwitz. Aus irgendeinem Grund gehe ich fest in der Annahme, dass die triste Grünfläche oberhalb des Stelzenhauses so bezeichnet wird – doch ich mag mich auch täuschen. Na, jedenfalls begegne ich dort oft den Omis mit den zwei Fußhupen. Die Ältere von beiden zählt meiner Kenntnis nach schon stolze 81 Lenze und weiß sich – so hoffe ich – noch im Besitz eines namenlosen, einigermaßen knöchelhohen Wuschelhundes. Meistens befindet sich die Dame im Schlepptau einer herzhaft, rüstigen Sächsin, die sich habituell ein bisschen so geriert, als würde sie an der Theke des besten Metzgers der Stadt arbeiten. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass wir Drei uns sonst viel zu sagen hätten. Doch der banale Umstand, dass wir zufällig artgleiche Haustiere besitzen, deren noch banalere Ausscheidungsbedürfnisse unsere Tage ähnlich zu strukturieren scheinen, macht uns für den Moment zu so etwas wie einer flüchtigen Schicksalsgemeinschaft – gleich, wenn Fremde zusammen auf den Bus warten oder wenn im Fahrstuhl gepupst wird.

Meinen Beobachtungen zufolge geben sich auch Hunde durchaus nicht frei von Ressentiment. Allerdings scheint der beste Freund im Vergleich zum Menschen weitaus weniger Berührungsängste mit seinen Artgenossen zu haben. Ihre spontanen – nicht selten unerwünschten Zusammenkünfte – beugen sich naturgemäß dem Diktum des Affekts und sorgen bisweilen für imposante Farbtupfer im sozialen Oeuvre ihrer Halter.

Analog dazu quatschen die Omis und ich immer ein bisschen, während sich die Hunde ritualisiert beschnuppern und durch die Gegend jagen. Bemerkenswerterweise offenbart sich mir im generationenübergreifenden Dialog mit steter Regelmäßigkeit eine wortreich begründete und ebenso deduktiv einwandfreie Ablehnung gegenüber den Bediensteten der hiesigen Exekutive. So befällt mich nicht selten ein Gefühl stiller Zufriedenheit, wenn mich die Omis eindringlich vor den Gaiörn vom Ordnungsamt warnen, die schon wieder irgendwo auf der Lauer liegen sollen. Das Geld, was sie von den Falschporkern einnehmen, geben sie olles den Flüchtlingen, hatte mir neulich noch ein mit dem Subbotnik geschäftlich verbundener Handwerker hinsichtlich der Arbeit des Ordnungsamtes erklärt. Meine Omis sind dem entgegen völlig frei von derart finsteren Wahngebäuden und vielmehr in echter und begründeter Sorge, sich in der Ausübung ihrer, mitunter recht frei ausgelegten, Persönlichkeitsrechte im Umgang mit Hunden von Amtswegen her beschnitten zu sehen.Ich finde es ja im Prinzip schön, einfach mal miteinander zu reden. Ist auch oft ganz egal über was. Neuerlich z.B. erzählte mir die Omi mit dem Metzgercharme von einem polnischen Auto, welches gemäß ihrer Beobachtung schon anderthalb Jahre in der Industriestraße unerlaubt abgestellt wurde. Da macht keiner was dagegen, versicherte mir die Dame glaubhaft. Auch der unerlaubt auf der Straße deponierte Sperrmüll hier überall im Viertel sei nichts weniger als eine Zumutung sowie die Leute, die die Kacke ihrer Hunde nicht wegräumen mindestens das Allerletzte. Ich lächle die Frau an. Höre aufmerksam zu. Gebe mich verständig.Im Überschwang empfehle ich der Oma das Bürgertelefon anzurufen und in der Sache illegales Polenauto ordentlich Meldung zu machen. Als ich mein Handy zücke, um ihr die Nummer herauszusuchen, sieht sie mich für einen kurzen Moment einigermaßen entsetzt an, um danach rasch wieder an Fassung zugewinnen. Schließlich winkt sie ab. Ach, lassen sie mal! Die habe ich doch gleich wieder vergessen. Und wissen sie, am Ende schicken die sowieso nur wieder das Ordnungsamt.